Stefan wohnt seit etwa drei Jahren in seiner Wohnung. Er weiß, dass unter ihm ein Pilot wohnt. Der ist praktisch nie zu Hause. Nebenan lebt eine Krankenschwester, die morgens sehr früh zur Arbeit fährt.
Oben, in der Galeriewohnung, wohnt ein Lehrerehepaar. Man grüßt sich freundlich - wenn man sich denn mal im Treppenhaus begegnet. Vor einiger Zeit fiel Stefan auf, dass aus der
Wohnung über ihm mitten in der Nacht leises Weinen drang. Das klang nach einem Säugling. Besuch, dachte Stefan. Er drehte sich zur Seite und schlief weiter.
Nach ein paar Tagen hörte er das Geräusch wieder. Nur schon ein bisschen lauter. Das war aber ein langer Besuch. Als er es am nächsten Morgen im Treppenhaus rumpeln hörte, musste Stefan den Türspion bemühen.
Die Nachbarin von oben trug ein Baby die Treppe hinunter. Jetzt dämmerte Stefan,
warum aus ihrem Briefkasten vor einigen Monaten ein Katalog von "Baby Walz" lugte. Dass man sich sage und schreibe mindestens neun Monate kein einziges Mal begegnet, gab Stefan schon zu denken. Aber so ist das wohl - in "modernen" Häusern.